22
Okt
2013
Gerhard Escherich: Notfunkeinsatz zum Erdbeben in Armenien 1988
Allgemeine Lage
Am Mittwochmorgen, dem 7. Dezember 1988 um 11.41 Uhr erschüttert ein schweres Erdbeben das nördliche Armenien und fordert schwere Opfer unter der Bevölkerung. Spitak mit ca. 50.000 Einwohnern ist dem Erdboden gleichgemacht, Leninakan, Kirovakan und Stepanavan sowie die Dörfer der Region sind zum größten Teil zerstört. Zehntausende von Menschen liegen tot oder verschüttet unter den Trümmern, viele Verletzte können, wenn überhaupt, nur notdürftig versorgt werden. Hunderttausende sind obdachlos und müssen bei der Kälte im Freien kampieren. Alle Versorgungsleitungen und Nachrichtenverbindungen existieren nicht mehr, die Region ist von der Außenwelt abgeschnitten. Nach Bekanntwerden der Katastrophe bietet das Auswärtige Amt in Bonn der Sowjetunion personelle und technische Hilfe unter anderem auch durch das Technische Hilfswerk an. Das russische Hilfeersuchen geht am Abend des 9. Dezember ein.
SEEBA-Einsatz
Die Schnelleinsatzeinheit Bergung Ausland (SEEBA) des Technischen Hilfswerks wird am 9. Dezember gegen 22.00 Uhr alarmiert. Die SEEBA besteht aus 65 Helfern in drei Bergungsgruppen, einem Ortungstrupp, einem Rettungshundetrupp mit 9 Rettungshunden, einem Verpflegungstrupp und der Einsatzleitung. Zur Einsatzleitung gehört ein THW-Helfer mit Amateurfunk-Lizenz, der über eine mitgeführte Kurzwellen-Station die Funkverbindung zwischen der SEEBA-Einheit im Einsatzgebiet und dem THW-Einsatzstab in Deutschland sicherstellen soll. Die SEEBA ist so konzipiert, dass sie spätestens 6 Stunden nach der Alarmierung abflugbereit ist und bis zu 14 Tagen selbständig operieren kann. Vier Stunden nach dem Alarm ist die SEEBA einsatzbereit und fährt zum Flughafen Frankfurt. Die mitgeführte Spezialausstattung hat ein Gewicht von 12 Tonnen. Wolfgang Schneider aus Ber-gisch-Gladbach – Amateurfunk-Rufzeichen DL5KL – ist als Funkamateur mit dabei. In Frankfurt wird die SEEBA durch 5 Rettungshunde mit Hundeführern der Feuerwehr verstärkt. Mit dem nächsten freien Flugzeug, einem Airbus 311 der Lufthansa, fliegt die THW-Mannschaft am 10. Dezember gegen 01.30 UTC in das Einsatzgebiet ab
(DL5KL ist ein von der Oberpostdirektion (OPD) nach Ablegen der Lizenzprüfung zugeteiltes Amateurfunk-Rufzeichen. Ein Rufzeichen besteht in der Regel aus dem Präfix für das Land (ein oder zwei Buchstaben) einer Ziffer und dem Suffix (ein bis drei Buchstaben). DL = Deutschland).
Vorbereitungen für den Funkeinsatz.
Inzwischen werden vom THW-Einsatzstab Bonn die Amateurfunk-Clubstationen DL0BMI in Bonn und DL0THW beim THW Aachen benachrichtigt und aufgefordert, Vorbereitungen zur Sicherstellung der Funkverbindung mit der SEEBA-Einheit zu treffen. Gerhard Escherich, Funkamateur und Beauftragter für den Amateurfunk im THW, informiert telefonisch das Auswärtige Amt und die russische Botschaft in Bonn mit der Bitte, die Genehmigung der sowjetischen Behörden für den Funkeinsatz in Armenien einzuholen. Beide Stellen teilen mit, dass keine Verbindung zum Katastrophengebiet besteht und die Frage des Funkbetriebes vor Ort geregelt werden muss. Das Fernmeldetechnische Zentralamt (FTZ) in Darmstadt als zuständige Bundesbehörde erteilt am Montagmorgen telefonisch die Genehmigung zum Notfunkverkehr für Deutschland.
Zwischen den THW-Funkamateuren wurden für einen Auslandseinsatz grundsätzlich die Frequenzen 14.331 und 21.331 Khz als Kontakt-Frequenzen festgelegt. Ab der voraussichtlichen Ankunftszeit im Einsatzgebiet sind die Funkstationen DL0BMI und DL0THW ständig auf Empfang, und zwar jeweils die ersten 30 Minuten der Stunde auf 14 Mhz, die zweiten 30 Minuten auf 21 Mhz. Personell gibt es bei beiden Funkstationen keine Probleme. Bei DL0BMI und DL0THW stehen jeweils 10 Funkamateure mit Kurzwellen-Lizenz zur Verfügung, die sich im Bedarfsfall ablösen können. Die Frage der Freistellung durch den Arbeitgeber ist durch das THW bzw. bei öffentlichen Arbeitgebern durch Gesetz geregelt. Bei Bedarf kann auch noch die THW-Clubstation DL0TEL in Hamburg-Harburg als Reservestation aktiviert werden. So ist es auch beim Armenien-Einsatz. Am Samstag, 10. Dezember 88 sind die THW-Stationen in Deutschland ab 15.00 UTC auf Empfang. Der Airbus mit der SEEBA landet um 13.03 UTC in der armenischen Hauptstadt Yerevan. Aufgrund der Zeitverschiebung von 4 Stunden ist es dort 17.03 Uhr Lokalzeit und die Dunkelheit bricht herein.
(Die Buchstaben- Zeichenkombinationen DL0, DF0 und DK0 kennzeichnen in Deutschland die Amateurfunkstation als Clubstation).
Die Lufthansa informiert den THW-Einsatzstab von der Landung, die Funkstationen in Bonn und Aachen werden durch den Stab unterrichtet, Auf dem Flugplatz ist es noch ruhig, nur eine Schweizer Maschine zeugt von der anlaufenden internationalen Hilfe. Die Zollformalitäten sind einfach, der Zollbeamte begnügt sich damit, die vorher eingesammelten Reisepässe auf einer Namensliste abzuhaken. Während die SEEBA-Ausstattung durch armenische Hilfskräfte in kürzester Zeit auf die bereitstehenden LKW verladen wird, setzt sich der THW-Einsatzleiter mit dem Verantwortlichen des Obersten Sowjet für Armenien (Landesregierung) auf dem Flughafen in Verbindung. Die Verständigung erfolgt in Englisch. Als Einsatzgebiet wird die Stadt Spitak bestätigt. Die Genehmigung zum Betrieb der Amateurfunkstation im Erdbebengebiet wird sofort und problemlos mündlich erteilt mit der Auflage, gemäß den internationalen Bestimmungen seinem Rufzeichen den Landeskenner für Armenien – UG6 – anzufügen. Sofort nach dem Verladen erfolgt die Abfahrt ins Einsatzgebiet. Die Fahrt nach Spitak führt über hohe Pässe des hier über 3.000 m hohen Kaukasus. Es ist bitterkalt, glücklicherweise liegt kein Schnee. nach drei Stunden Fahrt wird Spitak bei Einbruch der Dunkelheit erreicht. Den Helfern bietet sich eine gespenstige Szene. Überall totale Zerstörung, es gibt keine zentrale Energieversorgung mehr, auch keine Lampen, die hätten leuchten können. Zwischen den Trümmern brennen Hunderte von Lagerfeuern, an ihnen sitzen reglos Menschen, vor Schmerz, Leid und Hoffnungslosigkeit erstarrt. Die SEEBA schlägt ihr Lager im Hof einer Aufzugfabrik auf, unter deren Trümmern noch mindestens 400 Menschen verschüttet sind. Parallel zum Aufbau beginnt sofort die Arbeit der Such- und Bergungsgruppen.
Funkverbindung mit der SEEBA.
Wolfgang (Im Amateurfunk reden sich die Funker mit dem Vornamen an, deshalb werden auch im vorliegenden Bericht für die THW-Funker die Vornamen verwendet).DL5KL baut seine Kurzwellen-Station und die Stab-Antenne auf und versucht Deutschland zu erreichen. Die Stromversorgung erfolgt durch 2 12-Volt-Akkus mit je 36 Ah. Für das Aufladen über Notstromaggregat ist ein Ladegerat 230 V/12 V vorhanden. Aufgrund schlechter Ausbreitungsbedingungen ist jedoch keine deutsche Station zu hören und kein Kontakt mit Deutschland möglich. Die Bänder 7 und 3,5 Mhz scheiden wegen der sehr starken örtlichen Störungen aus, außerdem kann aus Platzgründen die mitgeführte Drahtantenne FD 4 nicht aufgebaut werden.
Die Stationen DL0BMI und DL0THW bleiben bis 21.30 UTC auf Empfang, ohne etwas von der SEEBA zu hören. Die Funker der beiden Clubstationen vereinbaren, dass sie ab 05.00 UTC wieder auf Empfang gehen, da dann die oberen Bänder Richtung Armenien offen sind, d.h. nach dort eine Verbindung möglich ist. Die funkbedingungen Richtung Armenien sind bis ca. 15.00 UTC auf 14 Mhz gut, danach ist Armenien bis ca. 18.00 UTC auf 21 Mhz sehr gut zu erreichen. Gegen 18.30 UTC brechen die Bedingungen auf 21 Mhz dann innerhalb von 10 – 15 Minuten vollständig zusammen, auch auf 14 Mhz ist nichts mehr möglich. 28 Mhz ist zur Zeit für Armenien kaum verwertbar.
In Spitak geht der Such- und Bergungseinsatz nach Überlebenden die ganze Nacht weiter. Überall spüren die Hunde Menschen auf, leider nur Tote. Die Gruppen arbeiten im gesamten Stadtgebiet, dabei bewähren sich die mitgeführten UKW-Handfunkgeräte im 2m-Band. Die Geräte in US-Ausführung haben eine Bandbreite von 141 bis 151 Mhz und bieten so genügend Möglichkeiten, im Einsatz eine freie Frequenz zu finden. Einsatzleiter, Zugführer und die Gruppen sind mit UKW-Handfunkgeräten ausgestattet, in der Einsatzleitung ist eine UKW-Feststation mit 45 Watt Ausgangsleistung und eine 2m-Vertikal-Antenne aufgebaut. Zwischen der Führung und den Gruppen besteht so eine ständige Funkverbindung auch über größere Entfernungen. Haftantennen und Verstärker bei Fahrzeugbetrieb für jede Gruppe ergänzen die Funkausrüstung. Die Handfunkgeräte bewähren sich auch bei der rauhen Behandlung und der Kälte bis minus 21 Grad bestens, kein Gerät fällt aus. Da die Geräte am Körper getragen werden, haben sie auch die nötige Betriebstemperatur. Dagegen erweist sich das Gerät der 2m-Feststation als für die Kälte ungeeignet. Das Gerät reagiert nach kurzer Zeit nicht mehr, die Frequenzen lassen sich nicht mehr einstellen. Erst das Einwickeln in eine Decke und die Wärmeabstrahlung des Kurzwellengerätes bringen die Funktionen zurück. Die Stromversorgung der Handfunkgeräte erfolgt über Akkus und Batterie-Packs mit Mignon-Zellen, wobei der Batterieverbrauch durch die Kälte sehr hoch ist. Für die Einsatzbereitschaft der UKW-Ausstattung und den Betrieb der UKW-Feststation ist Wolfgang DL5KL/UG6 zuständig (UG6 ist im Amateurfunk der Landeskenner für Armenien. Die ausländischen Funkamateure hängen an ihr Rufzeichen den Landeskenner UG6 zur Kennzeichnung ihres Standortes an).
Am Sonntag, dem 11. Dezember 1988 sind DL0BMI und DL0THW ab 05.00 UTC wieder auf Empfang. Um 06.17 UTC meldet sich DL5KL/UG6 in Sprechfunk, er ist in Deutschland mit RS 5/3 bis 5/7 (bedeutet Signalstärke und Lesbarkeit. Signalstärke wird von 1 bis 5, Lesbarkeit von 1 bis 9 bezeichnet, wobei 5/9 sehr starkes Signal und beste Lesbarkeit bedeuten) und schwankenden Signalen dennoch gut zu hören, Wolfgang berichtet, dass die SEEBA in SPITAK im Einsatz ist und teilt erste Eindrücke mit, die ein schlimmes Bild der Lage vermitteln. Anschließend erfolgt der Austausch von Funksprüchen für den THW-Einsatzstab in Bonn mit einer ausführlichen Lagemeldung.
Zwischen den Funkstationen wird das Verfahren bei einem Abbruch des Kontaktes auf der vereinbarten Frequenz festgelegt. Um 06.25 UTC wird die nächste Verbindung für 07.00 UTC vereinbart. Wolfgang will versuchen, seine Station noch zu optimieren. Inzwischen ist auch DL0TEL aus Hamburg-Harburg auf Empfang. Im Laufe des Tages erfolgt dann ein reger Notfunkverkehr zwischen Deutschland und Armenien. Bei den schwankenden Bedingungen unterstützen sich die THW-Clubstationen gegenseitig bei der Aufnahme der Funksprüche aus Armenien, wodurch die Verbindung ständig gesichert ist. Um 12.00 UTC erfolgt Frequenzwechsel auf 21.331 Khz mit Rapport 5/5 für DL5KL/UG6. Er hört die deutschen Stationen mit 5/9. Um 17.00 UTC dann wieder Frequenzwechsel auf 14 Mhz.
Die SEEBA meldet, dass weitere ausländische Hilfsmannschaften aus der Schweiz, aus Österreich, Frankreich, Italien, England, Bulgarien sowie des DRK in Spitak im Einsatz sind. DL5KL/UG6 ist zur Zeit die einzige Verbindung zur Außenwelt, so werden auch Nachrichten für die DRK-Hundestaffel, die österreichischen und die Schweizer Helfer über die THW-Notfunkverbindung übermittelt. Um 20.20 Uhr UTC erfolgt der letzte Kontakt, schon unter sehr schlechten Bedingungen. Der nächste Kontakt wird für 06.00 UTC vereinbart. Inzwischen ist es in Armenien 00.20 Uhr Ortszeit, Wolfgang DL5KL/UG6 verfügt über die Telefon-Nummern der Verantwortlichen für die THW-Clubstationen, so kann er im Notfall ggf. über andere Funkamateure jederzeit die THW-Stationen aktivieren.
Montag, 12. Dezember 1988, um 06.05 UTC: Die Verbindung mit DL5KL/UG6 in Sprechfunk steht, Rapport 5/5. Wolfgang berichtet, dass die Nacht sehr kalt war, die Einsätze gingen die ganze Nacht weiter, die Helfer und die Rettungshunde hatten bisher nur sehr wenig Schlaf. Alle hoffen, doch noch Lebende unter den Trümmern zu finden.
Im Laufe des Tages werden offizielle Meldungen, Lageberichte und Materialanforderungen in beiden Richtungen über Funk übermittelt. Alles muss schnell aber sicher erfolgen. Verschiedentlich ist Frequenzwechsel wegen Störungen durch Rundfunksender erforderlich. Dabei machen die THW-Funkamateure eine sehr positive Erfahrung, die sich bis zum Abschluss des Armenien-Einsatzes noch verstärkt. Die von ihnen anfangs befürchteten bewussten Störungen bleiben nicht nur aus, im Gegenteil melden sich in den Pausen zwischen dem Notfunkverkehr sehr viele deutsche und ausländische Stationen und bieten bei Bedarf ihre Hilfe an. Diese Hilfe wird auch verschiedentlich beim Übermitteln oder zur Verständigung von Angehörigen der Einsatzkräfte gern angenommen. Erst später erfahren die THW-Funker, daß während des gesamten Einsatzes fast ständig einige starke Stationen, insbesondere aus Deutschland und Russland, rechts und links neben der Notfunkfrequenz tätig waren, um diese von Störungen freizuhalten. Erwähnt werden soll hier stellvertretend für alle anderen der weibliche Funkamateur Ina, OD5KS aus Beirut.
Am Morgen steigt der Störpegel, DL5KL/UG6 ist in Deutschland teilweise nur schwer zu lesen. Wolfgang entschließt sich deshalb, die mitgeführte Richtantenne aufzubauen und auf den vorhandenen 11m-Schiebemast zu montieren. Danach ist er in Deutschland mit sehr gutem Signal problemlos aufzunehmen. Seit der Nacht besteht ein Engpass in der Kraftstoffversorgung in Spitak. Damit ist auch das Laden der Batterien nicht mehr gesichert. Deshalb wird der Funkverkehr auf das absolut notwendige Maß beschränkt. Die stündlichen Funkkontakte sind daher auch nur kurz, wenn keine Nachrichten vorliegen. Die Deutsche Rettungsflugwacht teilt dem THW-Einsatzstab mit, dass am Abend eine Maschine mit Dialysegeräten in Yerevan landet und bittet das THW um Unterstützung. DL5KL/UG6 wird entsprechend informiert und erhält Frequenz und Rufzeichen der Maschine. Um 20.00 UTC ist DL5KL/UG6 trotz der inzwischen in Betrieb genommenen Endstufe nur sehr schwach zu hören, danach bricht die Verbindung ab. Die nächste Verbindung ist für den nächsten Tag um 07.00 UTC verabredet.
Einsatz von Bergungsräumgeräten (BRG)
Im Laufe des 12. Dezember 1988 entscheidet die Bundesregierung, dem Hilfeersuchen der Sowjetunion nach schwerem Bergungsgerät zu entsprechen und 6 Bergungsräumgeräte (BRG) des THW mit einer Mannschaft von 77 Helfern nach Armenien zu entsenden. Bei den BRG handelt es sich um Radlader, die mit Zusatzeinrichtung auch als Bagger eingesetzt werden können. Die Geräte sollen am 13.12. durch russische Großraumflugzeuge in Stuttgart abgeholt werden, die Mannschaft soll mit einer Chartermaschine am Morgen des 13.12. ins Erdbebengebiet fliegen.
Um 16.00 Uhr MEZ erhält Gerhard Escherich DL8KAW in Aachen den Anruf des THW-Einsatzstabes mit der Weisung, alle erforderlichen Maßnahmen für einen Funk-Einsatz mit der BRG-Mannschaft in Armenien zu treffen und sich schnellstens in Richtung Stuttgart in Marsch zu setzen. Die persönliche Ausstattung ist vorbereitet und schnell ergänzt, erforderliche Impfungen erfolgen durch einen Arzt, Funkkoffer und Antennenbeutel werden kurz überprüft und ein 10m-Schiebemast zusätzlich bereitgestellt. Eine 2. Richtantenne ist nicht vorhanden, obwohl sie aufgrund der Erfahrungen von DL5KL/UG6 für eine sichere Verbindung erforderlich ist. Ein Anruf bei dem Antennenhersteller Firma Fritzel in Neuhofen bringt die Lösung. Herr Fritzel verspricht, trotz Feierabend sofort eine zerlegbare Richtantenne bereitzustellen. Teile davon müssen noch gefertigt werden, die Antenne ist in einer Stunde abholbereit. Abholung und Transport erfolgen durch das THW Ludwigshafen und die Antenne ist rechtzeitig vor dem Abflug in Stuttgart.
Dienstag, 13. Dezember 1988. Gerhard DL8KAW trifft um 04.30 Uhr MEZ in Stuttgart ein, wo die Mannschaft mit Helfern aus Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz schon versammelt ist. Nach dem Frühstück und einer Einweisung geht es zum Flughafen Stuttgart und um 08.30 Uhr MEZ startet der Airbus der Schweizer BALAIR in Richtung Armenien. Die Bergungsräumgeräte (BRG) sollen in zwei russischen Antonov 124 im Laufe des Tages folgen. Die THW-Stationen DL0BMI, DL0THW und DL0TEL sind ab 06.00 UTC wieder auf Empfang. Um 07.00 UTC meldet sich Wolfgang DL5KL/UG6. Als neue Frequenz wird 14.321 Khz vereinbart, da auf 14.331 Khz fast ständig ein starker russischer Rundfunksender ausstrahlt. Wolfgang wird informiert, dass DL8KAW mit einer BRG-Mannschaft nach Armenien unterwegs ist und sich im Laufe des Tages auf der Frequenz melden will. Wolfgang berichtet, dass am Montagabend 2 Kinder von der SEEBA lebend geborgen werden konnten. Wegen der drohenden Seuchengefahr plant das Militär, Spitak zu räumen, der Zeitpunkt ist noch offen. Im Laufe des Tages werden eine große Menge Nachrichten ausgetauscht, dabei wird auch die Rückkehr der SEEBA vorbereitet. Mehrere Stationen und Netze, die sich auf 14.320 kHz regelmäßig treffen, machen auf Bitten der Notfunkstationen sofort Frequenzwechsel und überlassen dem THW die Frequenz. Gleichzeitig wird von den THW-Clubstationen durchgehend 14.331 kHz abgehört, um DL8KAW nicht zu verpassen, falls er sich meldet.
Der Airbus mit den Helfern der Bergungsräumeinheit landet um 13.15 UTC auf dem Flughafen in Yerevan. wieder beschränken sich für die THW-Helfer die Zollformalitäten auf das Abhaken der Reisepässe in einer Liste, an Bord sind auch einige Journalisten und Fernsehteams ohne Visum und Dreherlaubnis. Diese müssen erst noch beschafft werden, dadurch dauert es fast 2 Stunden, bis alle die Maschine verlassen können. Auf dem Flugplatz ist sehr reger Betrieb, laufend landen und starten Maschinen aller Nationalitäten. Im Flughafengebäude herrscht drangvolle Enge. Frisch eingetroffene Rettungsmannschaften aus der gesamten Sowjetunion vermischen sich mit abgelösten Helfern und Soldaten, denen die Erschöpfung anzusehen ist. Ein Rettungshundeteam aus den Niederlanden und eine Mannschaft der polnischen Feuerwehr sind fast zeitgleich mit der THW-Räumeinheit eingetroffen und versuchen, einen Verantwortlichen zu finden. Während die THW-Helfer das Material aus dem Airbus auf bereitstehende LKW entladen, meldet sich der Einsatzleiter bei der armenischen Führung in einem Büro des Flughafens. Dort wird der Einsatzauftrag für Spitak bestätigt. Gleichzeitig wird dem THW-Einsatzleiter ein Dolmetscher zu Verfügung gestellt. Stefan, ein in Moskau studierender deutscher Student, hat sich freiwillig für die Hilfe in Armenien gemeldet und leistet dem THW in der nächsten Zeit wertvolle Hilfe. Später kommen noch weitere Dolmetscher hinzu.
Die THW-Mannschaft muss nun auf die Räumgeräte warten. Es ist nicht bekannt, wann die Maschinen mit den BRG eintreffen, die armenische Leitung hat keine Verbindung zur Außenwelt. Gerhard DL8KAW will deshalb versuchen, über die mitgeführte Kurzwellen-Station Verbindung nach Deutschland zu bekommen, die Ankunft zu melden und die Frage der BRG zu klären. Auf die Frage nach einem Standort zum Aufbau der Funkstation bittet der Flughafenleiter dringend, im Flughafenbereich kein Kurzwellen-Funkgerät in Betrieb zu nehmen, da die Gefahr einer Störung des Flugfunkbetriebes besteht und dies verheerende Folgen hätte. Der Flughafen Yerevan verzeichnet in normalen Zeiten 5 internationale Flüge pro Tag, entsprechend veraltet sind Funkanlagen und Antennen. Der Tower hat große Probleme mit den in der Nähe arbeitenden Militärfunkstellen. Zurzeit landen und starten täglich mehr als 250 Maschinen, das Personal des Towers wurde durch Fluglosten aus Odessa verstärkt.
Der Kapitän des Airbus der BALAIR ist noch auf dem Flugplatz und bietet die Benutzung der Kurzwellenanlage seiner Maschine an,. Das Angebot wird gern angenommen, ein kurzes Umschalten auf die vereinbarte Frequenz, und um 16.51 UTC meldet sich DL0THW mit 5/5. DL8KAW/UG6 gibt einen Lagebericht und teilt mit, dass die Räumeinheit in Yerevan auf die BRG wartet. Dem THW-Einsatzstab ist noch nicht bekannt, wann die russischen Antonov in Stuttgart starten. Gerhard erfährt, dass die SEEBA am Mittwoch Spitak verlassen wird, da die Lebendbergung abgeschlossen ist und die Stadt geräumt werden soll. DL8KAW/UG6 will sich so schnell wie möglich aus dem Einsatzort oder am nächsten Morgen über die Funkanlage des Airbus melden, falls die Räumeinheit dann noch in Yerevan ist. Der Airbus wird erst mittags wieder starten.
Der Flugbegleiter der BALAIR-Maschine schlägt vor, über Berna-Radio eine Phonepatch-Verbindung mit der Flugleitung in Stuttgart zu versuchen und stellt hierfür sein Rufzeichen zur Verfügung. Die Küstenfunkstelle BERNA-RADIO (so die offizielle Bezeichnung) hat die Möglichkeit, Funk-Draht-Verbindungen in das Telefonnetz herzustellen. Die Verbindung klappt und so erfahren wir, dass die Antonov in der Nacht in Stuttgart starten und am Morgen in Yerevan eintreffen werden.
Um 18.00 UTC meldet sich DL5KL/UG6 mit einem Funkspruch und einigen Informationen. Er wird von der Ankunft der Räumeinheit in Yerevan sowie über den ersten Funkkontakt verständigt. Um 18.41 UTC bricht die Verbindung ab, DL5KL/UG6 ist in Deutschland nicht mehr aufzunehmen. DL0THW und DL0BMI bleiben noch bis 21.31 UTC auf Empfang, ohne etwas aus Armenien zu hören. Die Räumeinheit verbringt die Nacht vom 13. zum 14.12. in einem Hotel in Yerevan, das von den armenischen Behörden bereitgestellt wird, Yerevan ist von dem Erdbeben nicht betroffen. Um 08.00 Uhr Lokalzeit sind alle THW-Helfer wieder auf dem Flugplatz. Ein Flugzeug mit Bergungsräumgeräten ist eingetroffen und wird sofort entladen. Die armenische Einsatzleitung hat dem THW-Einsatzleiter mitgeteilt, dass Spitak gesperrt ist und als Einsatzort nicht mehr infrage kommt. Als neuer Einsatzort wird die Stadt Stepanavan bestimmt, in der bisher noch keine Hilfskräfte tätig sind. Nach vorliegenden Informationen soll es dort 700 bis 1500 Tote gegeben haben. Der Abmarsch der Räumeinheit soll sofort nach dem Eintreffen der zweiten Maschine mit den BRG erfolgen. Zwischenzeitlich ist auch eine Satelliten-Kommunikations-Anlage (SATCOM) eingetroffen, die der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) mit zwei Helfern in das Erdbebengebiet entsandt hat. Mit der Anlage ist es möglich, über einen geostationären Satelliten Telefongespräche nach Deutschland zu führen sowie Telex und Telefax zu übermitteln. Die SATCOM-Anlage steht ergänzend zur Kurzwellenanlage auch dem THW zur Verfügung.
Am Mittwoch 14.12. um 06.05 UTC meldet sich DL8KAW/UG6 aus Yerevan über die Airbus-Anlage bei DL0THW mit einigen Informationen für den THW-Einsatzstab und für DL5KL/UG6. Wolfgang meldet sich um 06.15 UTC. Er teilt mit, dass fast alle ausländischen Helfer Spitak verlassen haben und auch die SEEBA bald abrücken muss. Die österreichische Rettungshundestaffel bittet um Übermittlung der Nachricht an ihre Zentrale in Wien, dass sie in Yerevan abgeholt werden muss. Diese Meldung wird sofort durch DL0THW weitergeleitet, kurze Zeit später in Wien bestätigt und ein Flugzeug entsandt. Um 08.05 UTC ruft Gerhard DL8KAW/UG6 via SATCOM bei DL0THW in Aachen an und teilt mit, dass der Airbus der BALAIR wieder gestartet ist.
Er bittet, Wolfgang über den neuen Einsatzort der Räumeinheit zu informieren und dass ein Nachkommando am Flughafen auf die SEEBA wartet zwecks Übernahme von einigem Gerät. Diese Nachricht wird von Aachen über Funk sofort an Wolfgang weitergeleitet. Nach einigen weiteren Funkkontakten meldet sich DL5KL/UG6 um 08.50 UTC ab. Die SEEBA wird nach Abbau der Funkanlage und der Antennen sofort nach Yerevan abfahren. Auf dem Flughafen treffen immer mehr Helfer von Bergungsmannschaften aus Spitak ein und schildern die schreckliche Lage im Erdbebengebiet. Am späten Vormittag trifft auch die zweite Antonov mit Bergungsräumgeräten ein. Beim Entladen stellt sich heraus, dass neben einer Feldküche und einem VM-Kombi mit einer Trinkwasser-Aufbereitungsanlage (TWA) von den vorgesehenen acht nur sechs BRG mitgenommen werden konnten. Die 12 Helfer für die beiden fehlenden BRG fliegen deshalb ein wenig traurig mit der nächsten Maschine nach Deutschland zurück.
Um 12.25 UTC meldet sich Gerhard DL8KAW/UG6 nochmals über die SATCOM-Anlage in Aachen und teilt mit, dass ein Treffen auf Kurzwelle für heute nicht mehr sicher ist. Er bittet, die Frequenz bis 19.00 UTC und dann wieder ab 06.00 UTC zu überwachen. Gerhard erfährt, dass die SEEBA auf dem Weg nach Yerevan ist und DL5KL/UG6 mit dem 2m-Gerät auf 145.300 Khz auf Empfang ist. Gerhard schaltet deshalb sein mitgeführtes Handfunkgerät ebenfalls auf diese Frequenz.
Marsch der Räumeinheit in das Einsatzgebiet.
Gegen 17.00 Uhr Ortszeit ist die gesamte Ausrüstung der Räumeinheit verladen und die Kolonne abmarschbereit. Sie besteht aus 2 Bussen für die Mannschaft, 7 LKW und 6 Bergungsräumgeräten. Kurz nach dem Verlassen des Flughafens kommt die SEEBA der Räumeinheit entgegen, wegen des Verkehrs ist ein Anhalten nicht möglich, so werden einige wichtige Informationen über Funk ausgetauscht. Die SEEBA verbringt die Nacht auf dem Flugplatz und fliegt am Morgen des 15.12. mit einer Sondermaschine nach Köln, wo sie mit großem Bahnhof empfangen wird. Stepanavan ist ca. 131 km von der Hauptstadt entfernt und liegt in 1400 m Höhe. Der Weg führt mitten durch das Erdbebengebiet, vorbei an Spitak. Alle Straßen und Brücken sind zerstört, neben der Straße wurden mit Bulldozern Pisten geschaffen, auf denen sich eine endlose Schlange von Fahrzeugen mit Helfern und Hilfsgütern bewegt. Schnee und Eis bereiten in den höheren Regionen zusätzliche Probleme. Nach sieben Stunden Fahrt erreichen die 2 Busse und ein LKW gegen 24.00 Uhr Ortszeit als erste das Ziel, die letzten Fahrzeuge treffen nach ca. 15 Stunden Fahrt am nächsten Morgen ein. Die örtliche Einsatzleitung weist der THW-Einheit einen Biwakplatz am Stadtrand zu. Hinter den 3 Fahrzeugen fährt ein hell beleuchteter Panzer auf. Er hat die Aufgabe, den Biwakplatz auszuleuchten, da die THW-Beleuchtung erst später eintrifft.
Während die Helfer die Fahrzeuge entladen, da diese sofort nach Yerevan zurück müssen, baut Gerhard seine Funkstation und die Drahtantenne provisorisch auf, um eine Verbindung nach Deutschland zu versuchen. Es ist 20.00 Uhr UTC und so scheiden die oberen Bänder aus. Leider ist keine einzige deutsche Station zu hören, es gelingen lediglich Verbindungen mit russischen, polnischen, jugoslawischen und tschechischen Funkamateuren. Auch diese Stationen kommen nicht nach Deutschland durch. Nach und nach treffen weitere Fahrzeuge ein und so wird mit dem Aufbau von einigen Zelten begonnen. Es ist bitterkalt. Die Zelte können wegen fehlendem Material nur halb fertiggestellt werden, die Kälte lässt keinen Schlaf aufkommen. der Panzer leuchtet den Aufbauplatz gut aus, da unsere Beleuchtung noch nicht angekommen ist. Dann ist der Panzer verschwunden, wir nehmen an, dass er seinen Auftrag erfüllt hat. Nach einiger Zeit taucht er wieder auf, voll beladen mit Holzbalken. Wir hatten nicht bemerkt, dass zwischenzeitlich einige Soldaten neben dem Lager eine Feuerstelle aus Steinen gebaut haben. Die Besatzung lädt das Holz ab, der Panzer fährt einige Male über die Balken und schafft so Kleinholz für das Lagerfeuer, an dem wir uns bei Temperaturen um -20 Grad dankbar wärmen können.
Einsatz in STEPANAVAN
Als es am Morgen des 15.12. hell wird, sieht alles viel besser aus. Es liegt kein Schnee, die Temperatur steigt am Tage bei strahlend blauem Himmel bis um die Null-Grad-Grenze an. Am Horizont erstrahlt der weiße Gipfel des über 5.100 m hohen Berges Ararat, in dessen Umgebung die Arche Noah gelandet sein soll. Heißer Kaffee aus der Feldküche weckt die Lebensgeister. Die Versorgung durch den THW-Verpflegungstrupp funktioniert während des gesamten Einsatzes reibungslos. Für 14 Tage ist die gesamte Eigenverpflegung für die Mannschaft vorhanden, der Speiseplan wird durch armenische Hartwurst aufgebessert. Der russische Kommandant schickt in den nächsten Tagen 10 Hühner und einen Hammel, die von den Köchen fachmännisch zubereitet werden.
Eine Erkundung der Einsatzleitung ergibt, dass Stepanavan mit ca 30.000 Einwohnern zu 30 % zerstört ist. Es hat „nur“ 170 Tote gegeben, die fast alle geborgen sind. Von den 16.000 Obdachlosen leben noch ca. 5.000 unter freiem Himmel, sie bilden das Hauptproblem. Bei vielen Häusern haben die Kellerdecken gehalten, sind jedoch durch die Gebäudetrümmer nicht zugänglich. Die Bergungsräumgeräte werden sofort eingesetzt, um die Trümmer zu beräumen und die Keller zugänglich und damit bewohnbar zu machen. In den nächsten Tagen geschieht dies bei mehreren hundert Gebäuden. Außerdem werden Verkehrswege freigeräumt und Gebäude niedergelegt, die eine Gefahr bilden. Die BRG arbeiten durchgehend in Schichten bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Gerhard DL8KAW/UG6 baut bei Tagesanbruch mit einem Helfer die Richtantenne zusammen und montiert sie auf den mitgeführten 10m-Schiebemast. Beim Aufrichten und Abspannen helfen einige russische Soldaten. Für die Kurzwellen-Station und die Satcom-Anlage steht ein gemeinsames Zelt zur Verfügung, in dem beide Anlagen aufgebaut werden. Die Befürchtung, dass sie sich gegenseitig stören, ist unbegründet, außer bei Betrieb der Kurzwellen-Station mit Endstufe. Die Endstufe ist aber bei den guten Bedingungen nicht erforderlich. Um 06.20 UTC klappt dann die erste Verbindung mit DL0THW und DL0BMI auf Anhieb. Beide Stationen sind mit 5/9 in Armenien aufzunehmen, DL8KAW/UG6 erhält ebenfalls 5/9 aus Deutschland. Nach dem Austausch von Funksprüchen gibt Gerhard einen allgemeinen Lagebericht. Im Laufe des Tages werden zahlreiche Nachrichten zwischen dem THW-Einsatzstab in Bonn und dem Einsatzleiter Räumeinheit übermittelt. Alle Stationen bleiben mit kleinen Unterbrechungen durchgehend auf Empfang. Die vereinbarte Frequenz ist relativ sauber und eine Verständigung in Sprechfunk kein Problem. In den Pausen melden sich andere Stationen zu einer kurzen Verbindung oder bitten um Informationen aus Armenien. Dieser Bitte wird gern nachgekommen, wenn auch der Einsatz leider viel zu wenig Zeit dafür lässt. Alle Funkamateure verhalten sich sehr diszipliniert und stellen den Betrieb sofort ein, wenn sich eine am Notfunk beteiligte THW-Station meldet.
Gegen 11.00 UTC erhält Gerhard im Funkzelt Besuch von den russischen Funkamateuren Gena UA9MA (UA9 ist der Landeskenner für Sibirien. Beim Notfunkeinsatz in Armenien haben die sowjetischen Funkamateure ihr Heimatrufzeichen – meist das ihres Funksportclubs – ohne Zusatz beibehalten) und Vic UA9MHL Bei der herzlichen Begrüßung hat man das Gefühl, dass sich alte Freunde treffen. Gena und Vic sind aus Omsk und betreiben in Stepanavan eine Funkstation im Notfunknetz, das von Funkamateuren aus der gesamten Sowjetunion im armenischen Katastrophengebiet betrieben wird. Die Frequenz des Notfunknetzes ist 14.175 Khz, es gibt noch weitere sowjetische Amateurfunkstationen in Yerevan, Spitak, Leninakan und Kirowakan sowie eine Verbindungsstelle in Moskau. über dieses Amateurfunk-Notfunknetz werden sowohl die Mitteilungen der Behörden und Stäbe als auch private Nachrichten für Angehörige, Suchmeldungen usw. übermittelt. Die Funkamateure stellen so die Verbindung im Katastrophengebiet, aber auch über die Station in Moskau zum Obersten Sowjet sicher. Vor allem in der Anfangsphase der Rettungsmaßnahmen wurde die Amateurfunk-Verbindung der sowjetischen Funkamateure nach Moskau intensiv vom armenischen Ministerpräsidenten und seinem Stab genutzt. Gena und Vic bieten ihre Hilfe an, falls es Probleme gibt, und laden Gerhard zu einem Besuch in ihre Station ein. Die Station UA9MA ist jederzeit auf 14.175 Khz ansprechbar. Der Gegenbesuch wird für die nächsten Tage zugesagt.
Am Nachmittag meldet sich die Amateurfunk-Station des Deutschen Roten Kreuzes – DL0RK – auf der Notfunkfrequenz. Sie teilt mit, dass 2 Funkamateure des DRK mit Geräten im Erdbebengebiet sind, zu denen bisher keine Verbindung besteht. Das THW wird gebeten, nach diesen Funkern Ausschau zu halten und sie bei Kontakt auf die THW-Notfunkfrequenz zu lotsen sowie DL0RK dann durch eine deutsche Station telefonisch zu verständigen. Dies wird natürlich zugesagt. Um 18.10 UTC ist letzter Funkkontakt zwischen Deutschland und Armenien, die Verbindung ist sehr schlecht und reißt danach ab. Die nächste Funkverbindung ist für den nächsten Morgen um 06.00 UTC vereinbart. Als Gerhard gegen 19.30 UTC auf der Suche nach einer deutschen Rundfunkstation über die Bänder dreht, hört er plötzlich eine sehr starke Station auf 14 MHz in Tastfunk nach Deutschland rufen. Es ist DL7ANP/UG6, eine der gesuchten DRK-Stationen. Ein kurzer Anruf und die Verbindung ist herge-stellt. Der Funker Manuel teilt mit, die beiden DRK-Funkamateure sind in Stepanavan und erst vor kurzer Zeit angekommen. Es wird vereinbart, dass DL7ANP/UG6 sich um 06.00 UTC auf der THW-Frequenz meldet und DL0RK ebenfalls dorthin geholt wird. Die THW- und die DRK-Station tauschen ihre genauen Standorte in Stepanavan aus.
Beim Funkkontakt am 16.12. um 06. UTC können sich DL8KAW/UG6, DL0BMI und DL0THW einwandfrei mit 5/9 aufnehmen. Gerhard teilt mit, dass die Mannschaft wohlauf ist und alle BRG im Einsatz sind. Die THW-Stationen in Deutschland werden informiert, dass mit den DRK-Funkern Verbindung besteht und sie auf die Frequenz kommen wollen. Während DL0RK telefonisch verständigt wird, meldet sich DL7ANP/UG6 und ist in Deutschland mit 5/6 aufzunehmen. Dann erscheint auch DL0RK auf der Frequenz. Die DRK-Stationen treffen ihre Absprachen über Frequenzen und Zeiten und verabschieden sich dann von der Notfunkfrequenz. DL0THW informiert über die festen Zeiten des THW-Notfunknetzes und bietet an, bei Problemen jederzeit die Hilfe des Netzes in Anspruch zu nehmen.
In den nächsten 2 Tagen entspannt sich die Lage auch funkmäßig ein wenig. Neben Lagemeldungen und Materialanforderungen sowie persönlichen Mitteilungen der Helfer fällt außerhalb der Funk-Zeiten kaum etwas an. Die Angehörigen der in Armenien eingesetzten Helfer werden jeden Abend nach der Tagesschau durch Helfer bei DL0THW in Aachen angerufen und informiert.
DL8KAW(/UG6 ist es jetzt auch möglich, einige Verbindungen mit anderen Amateurfunk-Stationen durchzuführen und sich so für die Hilfe zu bedanken. Ein deutsches Rufzeichen in der Sowjetunion ist wirklich etwas ganz Besonderes und bei den Funkamateuren sehr begehrt. Ein allgemeiner Anruf auf dem Tastfunk-Band ergibt sofort einen großen Andrang, wobei auch immer wieder gefragt wird, ob das DL-Rufzeichen mit /UG6 denn echt sei.
Eine kurze Erklärung über Aufgabe und Zweck des Aufenthalts in Armenien und schon ist alles klar. Zwischen den festen Funkzeiten im Notfunknetz können so eine Anzahl Stationen aus der ganzen Welt gearbeitet werden, wenn auch bei weitem nicht alle, die gerufen haben.
Am 17.12. um 11.00 Uhr meldet sich DK0WR, die Amateurfunk-Clubstation des Westdeutschen Rundfunks auf der Frequenz. Am Vortag wurde mit einem Redakteur des WDR, ebenfalls Funkamateur, der Versuch verabredet, am Samstag im Mittagsmagazin eine Live-Übertragung über Amateurfunk aus dem Erdbebengebiet durchzuführen. Die Bedingungen sind ausgezeichnet und die Frequenz ist frei, so sind die Voraussetzungen sehr gut. Einsatzleiter Gerd Friedsam gibt seine Zustimmung zu dieser Aktion.
Um 11.30 UTC wird es dann ernst. Nach einer kurzen Erklärung der Moderatorin im Studio tönt es aus den Lautsprechern: „DL0WR von DL8KAW/UG6, ich höre Sie ausgezeichnet“, was von Köln bestätigt wird. Dann berichtet Gerhard etwa 10 Minuten lang über die Situation im Katastrophengebiet, den Einsatz des THW und die Aufgabe der Funkamateure bei diesem Einsatz und beantwortet einige Fragen. Am Ende der Sendung bestätigt DK0WR, dass die Sendung störungsfrei ausgestrahlt wurde, sicher eine gute Werbung für den Amateurfunk und für das THW.
In der Nacht vom 17. zum 18.12. gibt es mitten in der Nacht plötzlich Alarm. Ein starker Sturm mit Windböen bis Stärke 10 droht Zelte, Ausrüstung und Antennen wegzufegen. Die russischen Soldaten der Nachtwache haben aber rechtzeitig Alarm geschlagen, so kann mit Seilen, Verankerungen und mit Hilfe der Radlader das Lager so gesichert werden, dass kein Schaden entsteht. Die Richtantenne wird auf dem 10m-Mast fast bis auf den Boden heruntergedrückt. Mit Hilfe der Soldaten werden Antenne und Mast umgelegt und am Boden gesichert, so kann nichts passieren. Beide bleiben unbeschädigt.. Am Morgen wird die Antenne dann wieder aufgestellt und so verspannt, dass sie auch einem neuen Sturm standhalten kann.
Am Sonntag 18.12. ist es Gerhard mit zwei Helfern und einem Dolmetscher dann in Absprache mit dem THW-Einsatzleiter möglich, UA9MA zu besuchen und sich die Schäden in der Stadt anzusehen. Über 2 m-Funk ist er dabei für das Lager ständig erreichbar. DL0THW und DL0BMI sind vorher verständigt worden, dass ein oder mehrere Funkkontakte eventuell ausfallen. In Stepanavan sind neben vielen anderen Gebäuden die Feuerwehrzentrale, das Rathaus und die Hauptpost mit der Fernmeldezentrale total zerstört. Die örtliche Einsatzleitung ist provisorisch in der öffentlichen Bibliothek untergebracht, die unzerstört blieb.
Die Funkstation von UA9MA ist leicht zu finden, die Richtantenne über dem Dach ist nicht zu übersehen. Eine Drahtantenne für 40 und 80m hängt daneben. Die Begrüßung durch die Menschen im Rathaus ist sehr herzlich. Alle wollen den THW-Helfern die Hände schütteln, sie umarmen und Danke sagen. Immer wieder das ungläubige Staunen, dass sie freiwillig aus Westdeutschland gekommen sind, um den Menschen in Armenien zu helfen. Gena UA9MA bringt die Helfer dann zur Funkstation. Das Gerät ist ein Eigenbau mit 100 Watt Ausgangsleistung. Ein weiteres vorhandenes Funkgerät ist leider ausgefallen, für eine Reparatur fehlen die Ersatzteile. Gena und Vic erklären, dass das Notfunknetz im Erdbebengebiet von Funkamateuren der Funksportclubs aus der ganzen Sowjetunion betrieben wird, die sich freiwillig dazu melden und etwa eine Woche im Erdbebengebiet bleiben. Die armenischen Funkamateure haben fast alle ihre Stationen bei dem Erdbeben verloren. So betreiben die einzelnen Clubs ihre Kurzwellen-Stationen mit ihren eigenen Geräten und Antennen, die sie bei der Ablösung auch wieder mitnehmen. Die Leitung des Notfunknetzes liegt bei UZ9AYA in Yerevan, der auch für den Einsatz der Funkamateure und die Ablösung verantwortlich ist. Ein 2 m-Netz besteht nur örtlich sehr begrenzt.
Für die Verbindung um 10.00 UTC mit Deutschland kann Gerhard die Station von UA9MA benutzen und bekommt auch sofort auf 21 Mhz Verbindung mit DL0THW. Es liegen keine Meldungen vor und so tauschen Gena und Vic mit den Funkern von DL0THW und DL0BMI Grüße aus. Die russischen Freunde müssen wieder in ihr Netz und auch die THW-HeIfer müssen weiter. Ein Schluck Wodka zum Abschied, eine herzliche Umarmung und das Versprechen, sich wieder zu melden, ggf. über Funk, und die Wege trennen sich.
Der Rückweg zum Lager führt an vielen Zelten und an Gebäuden vorbei, deren Keller von den BGR des THW freigeräumt wurden. lmmer wieder laden die Bewohner zum Bleiben ein, bieten das traditionelle Zeichen der Gastfreundschaft – Wodka, Brot und Käse – an. Auf den Wodka verzichten die Helfer im Interesse ihrer Aufgabe, was die Armenier verstehen. In den Gesprächen erfahren die THW-Helfer mit Hilfe des Dolmetschers viel über das Leben der Menschen vor der Katastrophe, den Ablauf des Erdbebens und die allgemeine Lage in Armenien.
Im Laufe des Vormittages wechselt der bis dahin fast ständig blaue Himmel die Farbe in ein dunkles Grau und am Mittag kommt der Wintereinbruch. Innerhalb von zwei Stunden fallen über 15 cm Schnee. Nach der Rückkehr ins Lager wird um 13.00 UTC die regelmäßige stündliche Verbindung von DL8KAW/UG6 nieder aufgenommen. In einigen THW-Ortsverbänden der in Armenien eingesetzten Helfer finden heute Weihnachtsfeiern statt. Die Helfer lassen durch Gerhard herzliche Grüße übermitteln, die von DL0THW telefonisch weitergeleitet und von den Ortsverbänden bestätigt werden. Die Familien freuen sich sehr über dieses Lebenszeichen. Um 18.00 UTC findet der letzte Funkkontakt statt, der nächste wird wiederum für den nächsten Morgen um 06.00 UTC verabredet. Der THW-Einsatzleiter ist am Morgen zu einer Besprechung nach Yerevan gefahren, zu der auch Mitglieder des THW-Einsatzstabes aus Deutschland eingeflogen wurden, und kehrt erst in der Nacht zurück.
Beim Morgenappell am 19.12.88 teilt der Einsatzleiter den Helfern mit, dass der Einsatz in Stepanavan vermutlich beendet wird und die Einheit nach Leninakan verlegt werden soll, wo ihre Hilfe dringend benötigt wird. Der Zeitplan für die Verlegung ist noch offen. Im Laufe des Tages hält sich der Funkverkehr in Grenzen. Einige Funksprüche werden ausgetauscht, daneben führt Gerhard normalen Funkverkehr iit Amateurfunkstationen durch. Am Nachmittag erfolgt die Mitteilung des THW-Einsatzstabes, dass die Räumeinheit noch vor Weihnachten abgelöst wird. Die Ablösung soll in zwei Wellen am 21. Und 22. Dezember erfolgen. Der Funker wird am 22.12. durch einen anderen Funkamateur abgelöst. Der Funkbetrieb wird allmählich Routine, die letzte Verbindung ist wie gehabt um 18.00 UTC, danach ist die Frequenz zu. Kurz vorher erhält der Einsatzleiter einen Funkspruch mit der Weisung, die Bergungsräumeinheit am nächsten Tag nach Leninakan zu verlegen. Da der nächste Funkkontakt daher nicht festgelegt werden kann, werden DL0THW und DL0BMI ab 06.00 UTC ständig auf Empfang bleiben.
Die Funkstation DL8KAW/UG6 soll am 20.12. mit dem Vorkommando um 07.30 Uhr Ortszeit (03.30 UTC) abfahren, deshalb werden noch in der Nacht Antenne und Mast abgebaut und für den Transport zerlegt sowie die Funkstation transportfertig verstaut. Da die LKW für den Materialtransport erst im Laufe des Tages eintreffen werden, können die Zelte stehen bleiben. Bis zum Wecken reicht es dann noch zu ein wenig Schlaf.
Der Bus für das Vorkommando trifft mit einiger Verspätung ein, so fahren die fünf Bergungsräumgeräte schon vorher los. Zur Verbindung untereinander sind sie mit Handfunkgeräten ausgestattet. Die Strecke nach Leninakan ist etwa 100 km lang und geht quer durch das Gebirge, dabei muss ein Pass von 3.200m überquert werden. Der Bus benötigt auf vereister Fahrbahn für die Strecke nur etwa 3 Stunden und kommt trotz sehr schlechter Reifen und ohne Scheiben heil am Ziel an.
Einsatz in LENINAKAN
In Leninakan wird sofort die Einsatzleitung aufgesucht, die sich in einer unbeschädigten Schule im Stadtzentrum befindet. Die Stadt liegt in 2.000m Höhe, hat mehr als 300.000 Einwohner und ist zu 51 % zerstört, von den Gebäuden sind weitere 30 % unbewohnbar. Unter den Trümmern liegen noch ca. 40.000 Menschen begraben. In dem Verwaltungsgebäude befindet sich auch die Amateurfunkstation UG7GKB, die im armenischen Notfunknetz arbeitet. Neben Aram UG6GRA, der aus Leninakan stammt und alles verloren hat, sind noch fünf Funkamateure aus Moskau und Leningrad anwesend. Gerhard DL8KAW wird sehr herzlich begrüßt und willkommen geheißen. Er muss sich mit seinem Rufzeichen in verschiedenen Listen verewigen, die in der Station ausliegen. Gerhard kann auf seine Bitte hin sofort die armenische Funkstation benutzen, um eine Verbindung nach Deutschland zu versuchen. Die Anlage besteht aus einem Eigenbau-Funkgerät mit 100 Watt Ausgangsleistung und einer Stabantenne für 21 und 15 m. Die Antenne steht zwischen den Gebäuden leider so ungünstig, dass Deutschland nicht erreicht werden kann. Aram erklärt, dass die Station große Antennenprobleme hat und oft auch nicht nach Moskau durchkommt. Leider stehen andere Antennen nicht zur Verfügung.
Das Vorkommando soll bis zum Eintreffen der ersten Fahrzeuge aus Stepanavan im Stabsgebäude bleiben und dann zum vorgesehenen Lagerplatz fahren. Es muss dringend eine Verbindung nach Deutschland hergestellt werden. Gerhard schlägt deshalb vor, mit zwei Helfern zum Lagerplatz zu fahren und dort die Richtantenne aufzubauen, die zum Glück mitgenommen wurde. Da auch die Batterien für die Stromversorgung vorhanden sind, dürfte die Verbindung kein Problem sein.
Der Einsatzleiter stimmt zu und so fahren die drei Helfer mit der Funkausrüstung in einem Bus zu einem freien Platz in der Nähe der Universität. Die Ausrüstung wird ausgeladen und der Bus verschwindet wieder. Bei teilweise dichtem Schneetreiben und minus 15 Grad wird die Richtantenne zusammengebaut, auf den Mast montiert und das Ganze aufgerichtet und abgespannt. Eine Parkbank wird vom Schnee befreit, das Kurzwellen-Gerät ausgepackt und angeschlossen. Schon beim Einschalten ist DL0THW in Tastfunk zu hören, nach einem kurzen Abstimmen des Antennen-Anpaß-gerätes antworten er und DL0BMI sofort beim ersten Anruf. Um 11.35 UTC ist die Verbindung hergestellt. Ein vom Einsatzleiter vorbereiteter Funkspruch wird sofort übermittelt. Inzwischen ist der Verpflegungstrupp aus Stepanavan eingetroffen und berichtet, dass bei seiner Abfahrt noch kein LKW angekommen war.
Mit UG7GKB wurde vereinbart, dass dort eine 2m-Station auf Empfang geht, so kann der Einsatzleiter von Gerhard mit seinem Handfunkgerät über Funk angesprochen und erreicht werden. Als das Küchenzelt aufgebaut ist, wird die Kurzwellen-Station dorthin verlegt und ist so wenigstens windgeschützt. Kurze Zeit später meldet sich der Einsatzleiter über 2m. Er hat erfahren, dass es große Schwierigkeiten mit der Bereitstellung von LKW aus Leninakan gibt. Die Einheit in Stepanavan soll versuchen, von sich aus Fahrzeuge zu beschaffen. Die Satcom-Anlage des ASB befindet sich noch in Stepanavan. DL8KAW/UG6 übermittelt die Nachricht an DL0BMI und DL0THW mit der Bitte um Weiterleitung bei der nächsten Satcom-Verbindung. Später wird von DL0THW die Weiterleitung bestätigt. Im Laufe des Nachmittags und Abends treffen nach und nach die BRG und weitere LKW mit Helfern und Material ein, so kann mit dem Aufbau des Lagers begonnen werden. Die Temperaturen sinken hier nachts bis auf 25 Grad minus, am Tage schneit es oft und ergiebig. Bei den Kontakten wird festgestellt, dass die Signale aus Leninakan schlechter sind, vermutlich durch den Standort mitten im Kaukasus, umgeben von hohen Bergen.
Allerdings ist DL8KAW/UG6 immer noch mit 5/6 in Deutschland zu hören, Die THW-Stationen aus Deutschland kommen fast immer mit 5/7 bis 5/3 in Armenien an. Zahlreiche Meldungen zur Regelung des Terminplans für die Ablösung gehen hin und her, bis alle Fragen geklärt sind. DL0THW teilt mit, dass beim Austausch der Mannschaft gleichzeitig ein Verbindungsstab auf dem Flughafen Yerevan eingerichtet wird. Der Verbindungsstab besteht aus 3 THW-Helfern, davon ein Funkamateur mit Kurzwellen-Station. Als Funker werden Bernd Länger DL1VJ aus Aachen und Eckart Bahrend DJ6EB aus Heidelberg in Armenien zum Einsatz kommen. Beide Funkamateure haben sich auf Befragen sofort zur Verfügung gestellt.
Ablösung und Verbindungsstab
Der für die erste Ablösung bestimmte Teil der Räumeinbeit fährt am frühen Morgen des 21.12. von Leninakan nach Yerevan. Um 06.42 UTC steht der Funkkontakt zwischen Deutschland und Armenien, nachdem vorher die Frequenz durch eine starke Rundfunkstation wieder sehr gestört wurde. Um 08.00 UTC meldet DL0THW, dass eine Böing der Luftwaffe um 09.02 Uhr Ortszeit mit 16 THW-Helfern und 4 ASB-Helfern für das Satcom-Team in Yerevan gelandet ist. Der Rückflug der abgelösten Mannschaft erfolgt um 10.15 UTC.
Bernd DL1VJ bleibt in Yerevan mit dem Auftrag, die Funkstation für den neu eingerichteten Verbindungsstab auf dem Flugplatz aufzubauen. Neben der Verbindung Deutschland-Armenien soll eine interne Funklinie zwischen Flughafen und Leninakan aufgebaut werden, um die Materialtransporte besser zu koordinieren. Beide Orte liegen immerhin mehr als 10 km auseinander. Obwohl die Hektik auf dem Flugplatz gegenüber der Ankunft der ersten Räumeinheit abgenommen hat, landen und starten noch immer Maschinen aller Nationalitäten fast ohne Unterbrechung. Irakische, iranische, israelische und afrikanische Flugzeuge stehen friedlich nebeneinander, die Politik ist zweitrangig geworden. Bernd installiert seine Kurzwellen-Station in einer Fahrzeughalle, in der eigentlich Feuerwehrfahrzeuge stehen, die aber für das Service-Team der Lufthansa freigemacht wurde. Die Station besteht aus einem Kurzwellen-Gerät mit Antennen-Anpaßgerät, einer Stab-Antenne und einer Drahtantenne, die Stromversorgung erfolgt über 12 V-Batterie, die über ein Ladegerät aus dem Netz geladen wird.
Beim Aufbau der Antennen zieht Bernd die Aufmerksamkeit des KGB auf sich. Schon nach kurzer Zeit ist die Lage geklärt, vor allem, als sich herausstellt, dass der Flugfunk nicht gestört wird. Auch hier ist die Zusammenarbeit mit den Behörden großartig und problemlos. Beim Einschalten des Gerätes stellt Bernd auf der gesamten Kurzwelle einen sehr starken Stör-Pegel fest, der den Empfang sehr beeinträchtigt. Hauptverursacher ist das Militär mit seinem 24-stündigen Funkverkehr. Als das Stör-Problem von DL1VJ/UG6 dort bekannt wird, bietet die Armee an, während der festen Funk-Zeiten des THW den Funkverkehr einzustellen, vor einigen Jahren noch unvorstellbar.
Um 10.30 UTC teilt DL8KAW/UG6 mit, dass die Nachhut der Räumeinheit aus Stepanavan in Leninakan eingetroffen und die Verlegung damit abgeschlossen ist. Gerhard wird noch bis 18.00 UTC von Leninakan aus auf Empfang sein. Um 13.00n UTC meldet er nach Deutschland, dass die erste Weile der Ablösung eingetroffen ist. Ein Funker ist nicht dabei, Eckart DJ6EB wird erst mit der zweiten Welle eintreffen. Durch die Ablösung des Satcom-Teams ist die Verbindung nach Deutschland weiter gesichert. Um 13.00 UTC meldet sich DL1VJ/UG6 vom Flughafen Yerevan über Funk an. DL0THW und DL0BMI hören ihn beide mit 5/7. In Leninakan ist er nur schwach zu hören, durch die Berge wird die Direktwelle abgeschirmt. So erfolgt die Übermittlung über die deutschen Stationen. Gerhard wird gebeten, eine Drahtantenne, eine Richtantenne, einen Schiebemast und einen Akku mit nach Yerevan zu bringen. Diese Ausstattung wurde von der SEEBA als Reserve bei DL8KAW/UG6 belassen und wird von Bernd benötigt.
Nach der Übergabe des Lagers und der Ausstattung an die ablösende zweite Räumeinheit fährt der Rest der l. Räumeinheit noch in der Nacht nach Yerevan. Um 16.00 UTC teilt DL8KAW/UG6 mit, dass die Übergabe abgeschlossen ist und meldet sich aus dem Funkverkehr ab. Die Funkausstattung verbleibt einsatzbereit im Lager und soll am nächsten Tag von Eckart DJ6EB übernommen werden. Leider bleibt Gerhard keine Zeit, sich von den russischen Funkfreunden persönlich zu verabschieden, so erfolgt ein kurzer Abschiedsgruß über 2m. Mit den gleichen Bussen, welche die Ablösung nach Leninakan brachten, treffen die abgelösten Helfer um 02.00 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Yerevan ein. Sie können sich im Untergeschoß des Flughafens mit ihren Feldbetten einrichten und alle sind froh, nach zehn Tagen wieder einmal ein festes Dach über dem Kopf und einen warmen Raum zu haben. Kurz nach der Ankunft wird die Mannschaft von der Aeroflot mit heißem Tee und Lunchpaketen versorgt, wofür alle sehr dankbar sind. Bernd wartet in der Halle, übernimmt die mitgebrachte Funkausstattung und berichtet kurz über die Situation auf dem Flugplatz. Kaum jemand von der Mannschaft schläft in der Nacht, die Helfer sitzen zusammen, reden und diskutieren. Jetzt, da das Schlimmste vorbei ist, muss jeder erst einmal die Erlebnisse verarbeiten.
Am 22.12. meldet sich DL1VJ/UG6 zum Funkkontakt um 06.00 UTC. Er teilt mit, dass die Boeing 707 der Bundesluftwaffe mit dem Rest der 2. Räumeinheit in Yerevan gelandet ist. Eckart DJ6EB, Bernd DL1VJ und Gerhard DL8KAW haben sich inzwischen gegenseitig informiert und die Einzelheiten für den weiteren Einsatz abgesprochen. Die Verbindung zu jeder vollen Stunde mit Deutschland wird von beiden Stationen in Armenien wahrgenommen, eine halbe Stunde versetzt treffen sich DJ6EB/UG6 und DL1VJ/UG6 auf 80m oder 40m. Eckart wird im Laufe des Tages nach Leninakan fahren und sich spätestens zum Funktreff am 23.12. um 06.00 UTC melden. Nach dem Entladen der Luftwaffen-Boing 707 fliegen die Helfer der 1. Räumeinheit gegen 12.00 Uhr Ortszeit Richtung Heimat. Der Tag verläuft für den Funk ruhig, außer den stündlichen Funktreffs liegt nichts an. So kann Bernd sich ein wenig auf den Frequenzen umsehen und die ersten Funkverbindungen außerhalb des Notfunk-Verkehrs als DL1VJ/UG6 in Tastfunk durchführen. Die Nachfrage ist sehr groß und in kurzer Zeit sind einige Logbuchseiten gefüllt.
Am nächsten Morgen ist DL1VJ/UG6 pünktlich zum ersten Funkkontakt auf der Frequenz, von Eckart DJ6EB/UG6 ist nichts zu hören. Im Laufe des Vormittags werden einige Funksprüche ausgetauscht. Bernd meldet sich zwischendurch ab, während DL0THW und DL0BMI ständig auf Empfang bleiben. Um 15.17 UTC meldet sich dann Eckart auf der Frequenz und ist mit 5/7 in Deutschland zu hören.
Er teilt mit, dass der Standort der Funkstation innerhalb des Lagers verändert werden musste und er deshalb nicht früher auf Empfang war. Die Einheit ist gut in Leninakan angekommen, alles ist wohlauf, die BRG sind seit dem frühen Morgen im Einsatz. Der letzte Kontakt zwischen den Stationen in Armenien und Deutschland erfolgt um 18.15 UTC, danach verabschieden sich alle bis zum nächsten Morgen
Der nächste Tag ist der 24. Dezember, Heiligabend. Für die Räumeinheit geht die Arbeit im Erdbebengebiet weiter, heute soll lediglich etwas früher Arbeitsende sein. Um 06.37 UTC teilt Bernd mit, dass die Verbindung mit Eckart auf 80 m jetzt steht. Das erleichtert die Arbeit für die armenischen THW-Stationen, die nicht mehr auf die Übermittlung via Deutschland angewiesen sind. 08.00 UTC meldet DJ1VJ/UG6 sich ab und berichtet, dass der Verbindungsstab nach Leninakan fährt, um mit den Kameraden dort den Heiligen Abend zu verbringen. Der traditionelle Tannenbaum wurde aus Deutschland mitgebracht. Bernd will am nächsten Morgen wieder rechtzeitig zum Funkkontakt zurück sein. Beim Kontakt um 14.00 UTC richtet Eckart die Bitte an DL0THW, von einigen Helfern persönliche Gruße an ihre Angehörigen zu übermitteln. Diese Bitte wird gern erfüllt. Bis 17.00 UTC werden von Aachen aus an alle Angehörigen der in Armenien weilenden Helfer die Weihnachtsgrüße per Telefon übermittelt, was bei diesen große Freude auslöst. Um 15.37 UTC wünscht Eckart DJ6EB/UG6 allen Frohe Weihnachten und verabschiedet sich bis zum nächsten Morgen. Auch DL0THW und DL0BMI schließen ihre Station.
An den Weihnachtstagen geht der Einsatz des THW in Leninakan pausenlos weiter. Die Funkstationen DL1VJ/UG6 in Yerevan, DJ6EB/UG6 in Leninakan, DL0THW in Aachen und DL0BMI in Bonn treffen sich zu den stündlichen Kontakten, nur selten ist eine Nachricht oder ein Funkspruch zu übermitteln. Viele Funkamateure melden sich auf der Frequenz und senden den Helfern im Erdbebengebiet ihre Weihnachtswünsche. Am 27.12. meldet Eckart DJ6EB/UG6 ein etwas stärkeres Nachbeben. Die Erde wird fast täglich von kleinen Erdstößen erschüttert, die aber keinen Schaden anrichten. Die Helfer haben sich daran gewöhnt. Am Nachmittag wird von der Lagermannschaft ein Garagenbrand in der Nachbarschaft gelöscht.
Beim Funkkontakt um 09.00 UTC meldet sich DL0DH, die Clubstation der Lufthansa Frankfurt auf der Frequenz. Die Station ist auf dem Flughafengelände in Frankfurt untergebracht und der zuständige Funkamateur Rudi bietet bei Bedarf seine Hilfe an. Das Angebot wird dankend angenommen und die Telefon-Nummer notiert. Die Einrichtung des Verbindungsstabes auf dem Flugplatz Yerevan hat sich inzwischen als sehr hilfreich erwiesen, Materiallieferungen können wesentlich schneller weitergeleitet und Rückfragen über Funk sofort geklärt werden.
Bernd hat verschiedentlich Gelegenheit, die armenische Amateurfunk-Clubstation UG7GKO in Yerevan zu besuchen und wird jedes Mal herzlich aufgenommen. Zweimal übernachtet er im Klubraum, er ist der erste Ausländer überhaupt, der dort schläft. Eckart hält in Leninakan ebenfalls engen Kontakt mit der dortigen Clubstation UG7GWB. Fast rund um die Uhr ist dort Betrieb auf 14 bzw. nachts auf 3,6 Mhz. Eine Fülle von Meldungen muss durch die sowjetischen Funkamateure in ihrem Notfunknetz bewältigt und übermittelt werden.
Bernd und Eckart hatten vereinbart, nach der Hälfte der Zeit die Standorte zu tauschen. Am 28.12. übernimmt Eckart DJ6EB/UG6 die Funkstation in Yerevan, während Bernd DL1VJ/UG6 nach Leninakan wechselt. Inzwischen besteht auch wieder eine Telex-Verbindung zwischen der Lufthansa Frankfurt und dem LH-Team in Yerevan, die auch vom THW-Einsatzstab genutzt werden kann und wird. In regelmäßigen Abständen meldet sich auch eine Station aus dem armenischen Notfunknetz auf der THW-Frequenz mit der Frage, ob alles ok oder Hilfe erforderlich ist. Auf diese Weise besteht ständiger Kontakt zwischen beiden Notfunknetzen. Einige der sowjetischen Funkamateure im Netz sprechen deutsch, was die Verständigung sehr erleichtert. Bernd meldet sich kurz nach seiner Ankunft bei UG7GWB und wird von den russischen Funkamateuren in gewohnt herzlicher Weise aufgenommen. Bei Gesprächen stellt sich heraus, dass große Antennenprobleme bestehen und mit der Stabantenne für 21 und 15m die Station im Notfunknetz oft nicht erreichbar ist. Bei der nächsten Verbindung mit DL0THW teilt Bernd dieses Problem mit und bittet um Prüfung, ob die Antennenlage irgendwie verbessert werden kann.
Gerhard DL8KAW, der inzwischen den Dienst an DL0THW wieder aufgenommen hat. verspricht, sich darum zu kümmern. Ein Anruf bei der Antennenhersteller-Firma Kurt Fritzel in Neuhofen löst das Problem unerwartet schnell. Nachdem er über die Lage informiert ist, erklärt sich Herr Fritzel sofort bereit, eine Richtantenne FB 23, wie sie auch beim THW im Einsatz ist, als Spende für UG7GWB zur Verfügung zu stellen. Die Frage des Transportes ist schnell geklärt und beim nächsten Materialtransport des THW fliegt die Antenne mit nach Yerevan. Der Verbindungsstab sorgt für die Weiterleitung zum Bestimmungsort. Bernd hilft beim Aufbau der Antenne und danach ist UG7GWB in Moskau und in Deutschland sehr gut aufzunehmen. Die Freude und der Dank der russischen Funkamateure sind natürlich groß.
Am 30.12. meldet sich ein Funkamateur aus Berlin auf der Frequenz und teilt mit, dass ein amerikanisches Netz auf 14.275 Mhz aktiv ist und dringend Informationen aus dem Erdbebengebiet Armenien sucht. DL1VJ/UG6 wird gebeten, auf die Frequenz zu kommen und die Station K1MAN zu rufen. Bernd folgt dieser Bitte und die Verbindung klappt sofort. Die US-Station erklärt, dass die US-Funkamateure Funkgeräte via Moskau nach Armenien geschickt haben, über deren Verbleib nichts bekannt ist. Bernd gibt einen kurzen Lagebericht und gibt den US-Funkamateuren einige Tipps. Er verspricht, dass er und Eckart in Yerevan sich nach den Geräten erkundigen wollen, macht aber wenig Hoffnung. Mit K1MAN werden weitere Verbindungen für die nächsten Tage vereinbart.
An Silvester und Neujahr geht der Einsatz ohne Unterbrechung weiter. Der letzte Funkkontakt im alten Jahr ist um 15.30 UTC. Allen Angehörigen werden am Nachmittag telefonisch die besten Wünsche für 1989 von ihren Männern aus Armenien übermittelt. Diese Aufgabe übernimmt wiederum DL0THW mit Helfern des Aachener THW. Die erste Verbindung im neuen Jahr ist um 07.09 UTC. Alle Beteiligten haben Silvester gut überstanden. Eckart und seine Kameraden vom Verbindungsstab verbrachten den Abend beim Lufthansa-Team. In Leninakan brachten am Silvesterabend Armenier in zwei PKW den Helfern Speisen und Getränke ins Lager. Bernd berichtet, dass der Abend ansonsten sehr ruhig verlief, die Situation und die Müdigkeit der Helfer ließen kein Feiern zu. Am Neujahrsmorgen liegen die Temperaturen in Leninakan bei minus 10 Grad mit leichtem Schneefall. Die Funkstationen treffen sich zu den stündlichen Kontakten, DL0BMI und DL0THW sind ständig auf Empfang und ansprechbar.
Um 15.00 UTC meldet sich ein Funkamateur aus Berlin über Telefon bei DL0THW. Er gehört zur Auslands-Einsatzgruppe des Deutschen Amateur-Radio-Clubs DARC und teilt mit, dass UG7GWB (die armenische Amateurfunk-Notfunkstation in Leninakan) über die Satcom-Verbindung in Leninakan ein Fernschreiben betreffs Materialbedarf und Freigabe der US-Amateurfunkgeräte an das Auswärtige Amt in Bonn senden wird mit der Bitte um Weiterleitung an die Botschaften der USA und der UDSSR in Bonn. DL1VJ/UG6 wird informiert, ebenso der THW-Einsatzstab in Bonn.
(K1KAN ist ein us-amerikanisches Rufzeichen im Amateurfunk)
Ende des Bergungsräumeinsatzes und Rückflug.
Am 02.01.1989 werden die Vorbereitungen für das Ende des Einsatzes und den Rückflug getroffen, der für den 4. Januar 1989 festgelegt ist. Die Bundesregierung hat entschieden, dass die Bergungsräumgeräte (BRG), die Fahrzeuge, die Feldküche sowie das Lagermaterial in Leninakan verbleiben und den armenischen Behörden übergeben werden. Für die Einweisung der armenischen Kräfte auf die BRG und an den anderen Geräten soll eine aus sechs Spezialisten bestehende THW-Mannschaft am 4. Januar in Leninakan eintreffen, die Ausstattung übernehmen und mit der Einweisung sofort beginnen. Ein Funkamateur ist dann nicht mehr dabei, die Nachrichtenverbindung der Restmannschaft soll über das DRK sichergestellt werden, das in Leninakan eine Funkstation auf den kommerziellen Frequenzen des Internationalen Roten Kreuzes betreibt.
Auf der Notfunkfrequenz wird es noch einmal lebhaft. Den ganzen Tag über herrscht reger Funkverkehr, zahlreiche Meldungen und Funksprüche werden ausgetauscht, bis alle Fragen geklärt sind. DL1VJ/UG6 teilt mit, dass das Telefax bezüglich der US-Geräte von UG7GWB bei der Satcom-Anlage abgegeben und dort nach Bonn übermittelt wurde. Der THW-Einsatzstab wird die Weiterleitung veranlassen. Bernd informiert die anderen Stationen über die weitere Planung, wegen Transportproblemen muss die Mannschaft in zwei Wellen von Leninakan nach Yerevan fahren. DL1VJ/UG6 wird mit der ersten Welle verlegt, die Satcom-Anlage kommt mit der zweiten Welle. Mit UG7GWB ist abgesprochen, dass der Einsatzleiter bei Bedarf über ihn Nachrichten nach Yerevan leiten kann. Nachdem Bernd mit DL0THW Einzelheiten hinsichtlich der Rückführung der Funkausstattung geklärt hat, verabschiedet sich DL1VJ/UG6 um 09.15 UTC von der Frequenz und baut die Station ab. Bei den Funkamateuren von UG7GWB hat er sich schon am Vortag persönlich verabschiedet. DJ6EB/UG6 bleibt noch bis 16.00 UTC auf Empfang, dann muss auch Eckart seine Sachen packen.
Am 04.01. 89 ist DJ6EB/UG6 um 16.00 UTC auf der Frequenz, Bei ihm ist auch Bernd, der ihm später beim Abbau der Anlage helfen wird. Um 08.00 UTC meldet er, dass alle Helfer der 2. Räumeinheit in Yerevan sind und auf den Heimflug warten. Die Luftwaffenmaschine mit dem Einweisungsteam ist gelandet, sie wird zurzeit für den Rückflug beladen. Eckart verabschiedet sich um 08.20 UTC und baut mit Bernd die Anlage ab, dann sind alle Helfer für den Rückflug in der Maschine versammelt und freuen sich auf Zuhause. DL0THW und DL0BMI bleiben noch bis 10.00 UTC auf Empfang, dann werden die Geräte ausgeschaltet und der Funkeinsatz beim Erdbeben in Armenien ist offiziell beendet.
Einweisung und Übergabe der BRG
Mit dem Einweisungs-Team wurde vereinbart, dass DL0THW täglich um 12.00 UTC auf 14.331 Khz und um 12.30 UTC auf 21.331 Khz auf Empfang ist. Das Team soll die DRK-Station oder UG7GWB bitten, zu dieser Zeit Verbindung mit DL0THW aufzunehmen. Am 6.1.89 um 12.00 UTC meldet sich die DRK-Station DL3SAV/UG6, Helmut auf der Frequenz. Helmut teilt mit, dass er als Funker einer DRK-Station bis zum 12.1. in Leninakan ist und nach Möglichkeit die Verbindung zum THW-Team sicherstellen will.
Das THW-Einweisungsteam meldet, dass bei der armenischen Notfunkstation UG7GWB das zweite Funkgerät ausgefallen ist und dass dringend zwei Endröhren für ein Kurzwellengerät in Kirowakan benötigt werden. Es ist auch sehr dringend ein weiteres Kurzwellen-Gerät erforderlich, da die US-Geräte nicht aufzufinden sind und bei der Abreise der russischen Funkamateure diese ihre Geräte mitnehmen müssen. Anderenfalls ist das Notfunknetz – die einzige Verbindung zur Außenwelt und nach Moskau – gefährdet und Leninakan nachrichtenmäßig abgeschnitten. Am Vorabend wurde in den Medien ein schweres Nachbeben gemeldet. Laut DRK-Funker hatte dieses Beben die Stärke 5 auf der Richterskala und richtete keine Schäden an. Ein neuer Funkkontakt wird für den nächsten Tag um 19.00 UTC vereinbart.
Bei einem Telefongespräch von GF Escherich DL8KAW aus Aachen mit dem Funkamateur DJ5RT, Dr. Ruppert in Rosenheim stellt dieser zwei Draht-Antennen W3-2000 zur Verfügung. Es gelingt leider nicht, aus einer laufenden Spendenaktion für Armenien ein Kurzwellen-Funkgerät zu finanzieren. Ein Anruf von Gerhard DL8KAW bei der Firma Richter (Rico-Funk) in Hannover löst überraschend das Problem. Bei dem Gespräch mit der Firmenleitung stellt diese spontan ein Kurzwellen-Funkgerät und ein Netzteil als Spende zur Verfügung. Noch am gleichen Tag wird die Anlage von einem THW-Fahr-zeug in Hannover abgeholt und in das Zentrallager des DRK in Meckenheim bei Bonn gebracht. Von dort geht am nächsten Tag ein Hilfsgütertransport nach Armenien. Das DRK hat sich bereiterklärt, die Funkanlage und 4 Endröhren, die DL0THW bereitstellt, nach Yerevan mitzunehmen und für den Weitertransport und die Übergabe an UG7GWB in Leninakan zu sorgen. Von dort wird später der Erhalt bestätigt und der Dank für die großartige Hilfe übermittelt.
Die DRK-Station DL3SAV/UG6 meldet sich jetzt täglich um 09.00 UTC. Neben offiziellen Mitteilungen werden auch persönliche Grüße von und für die Angehörigen übermittelt. Am 12.1. meldet sich der DRK-Funker zum letzten Mal, da er am Abend nach Yerevan zurückfährt. Um 09.55 UTC wird er mit dem herzlichen Dank für die Unterstützung des THW-Einsatzes verabschiedet. Damit ist der Funkeinsatz Armenien endgültig beendet.
Schlussbetrachtung
Der Erdbebeneinsatz in Armenien war für die Funkamateure des Technischen Hilfswerks die bisher größte Herausforderung. Es hat sich gezeigt, dass beim jetzigen Stand der Technik nur der Amateurfunk mit seinen vielfältigen Möglichkeiten in der Lage ist, bei solchen Katastrophen sichere Nachrichtenverbindungen zu garantieren und damit die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen zu gewährleisten.
Nicht zuletzt durch die Unterstützung der Funkamateure auf der ganzen Welt konnte die gestellte Aufgabe glänzend gelöst werden. Wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse für künftige Einsätze wurden dabei gewonnen. Dabei darf auch der großartige Einsatz aller sowjetischen Funkamateure nicht un-erwähnt bleiben, die seit dem Erdbeben 24 Stunden am Tag für die Kommunikation und Koordinierung im Katastrophengebiet sorgten sowie die Angehörigen der Menschen im Erdbebengebiet auf dem Laufenden hielten. Auch die Arbeit der THW-Einsatzmannschaft wurde von den russischen Funkamateuren tatkräftig unterstützt.
Viele andere Funkamateure auch außerhalb des THW waren zur Hilfe bereit, haben geholfen und den Einsatz möglich gemacht, manche auch über einen längeren Zeitraum. Es werden hier keine Rufzeichen besonders hervorgehoben. Bei der Vielzahl der Helfenden würde mit Sicherheit der eine oder andere vergessen werden, der hätte genannt werden müssen. Deshalb allen, die beteiligt waren, ein herzliches Dankeschön sagen die in Armenien eingesetzten THW-Funkamateure Wolfgang Schneider DL5KL, Gerhard Escherich DL8KAW, Bernd Länger DL1VJ und Eckard Bahrend DJ6EB sowie die Teams von DL0THW mit Peter Kallfelz DL8YR. Conny Bäuerlein DL3RC, Claus Göde DLKAH und Hans-Georg Dickmann DL1KDO und von DL0BMI mit Herbert Thamer DF7WZ, Werner Wullschläger DF3KZ, Siegfried Lange DL8KCL, Hans-Uwe Greggersen DL8KCG, Hans-Joachim Keller DL8KCK, Hermann Möllenbeck DL8KCM und Ernst Plogschties DL8KCP.
Bei der in Armenien eingesetzten Funkausstattung sind unter den vorgegebenen Bedingungen nur wenige Verbesserungen erforderlich. In der Zukunft werden auch andere Übermittlungsarten sicher eine Rolle spielen, doch hat der Funkeinsatz des DRK in Armenien gezeigt, dass hier noch etliche Probleme zu lösen sind. Insbesondere bei den Schnelleinsätzen der SEEBA sind Sprech- und Tastfunk die sichersten Methoden. Die Funkamateure im Technischen Hilfswerk haben wiederum in erheblichem Maße zum Erfolg des Einsatzes beigetragen und haben gezeigt, dass sie die gestellten Aufgaben auch unter schwierigsten Bedingungen lösen können.